Ich bin Deutsch – Juandalynn Abernathy

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Ich hatte die Ehre, Juandalynn R. Abernathy im Sommer 2021 in ihrer Heimatstatt Balingen interviewen zu dürfen. Juandalynn Abernathy ist die Tochter von Dr. Ralph Abernathy, der zusammen mit Martin Luther King die Freiheitsbewegung in den USA gegründet hat. Juandalynn Abernathy ist auch die Patentochter von Martin Luther King.

M.W.: Frau Abernathy, wer sind Sie?
Abernathy: Ich bin Juandalynn R. Abernathy, geboren in Montgomery Alabama, aufgewachsen in Atlanta Georgia. Ich bin das zweitgeborene Kind von Dr. Ralph David und Juanita Jones Abernathy. Ich wurde am 30. November 1954 geboren. Das erste Kind ist leider im August des Jahres davor kurz nach der Geburt verstorben. Ich habe eine Schwester und zwei Brüder, die alle in den USA leben. Mein Vater war baptistischer Pfarrer der First Baptist Church in Montgomery Alabama. Er und sein bester Freund und Wegbegleiter Dr. Martin Luther King Jr. gründeten die Freiheitsbewegung in den USA. Nach der Ermordung von Dr. Martin Luther King Jr. wurde mein Vater sein Nachfolger.

Bild: Ich bin Deutsch - Juandalynn Abernathy

Ich habe die integrierte Grundschule in Atlanta Georgia besucht, eine Schule für Weiße, in die meine Geschwister und ich integriert wurden. Danach habe ich die Northside High School in Atlanta besucht und habe ein Stipendium erhalten, um im Oberlin College meinen Bachelor of Music zu erwerben. Später habe in Boston den Magister of Music erhalten. Bereits als Kind und Jugendliche habe ich Konzerte in der Kirche gegeben und vor Publikum gesungen.

Mit einem Stipendium vom Goethe-Institut habe ich in Deutschland 1980 mein Studium absolviert. Seitdem lebe ich mit meiner Familie in Deutschland, Baden-Württemberg. Ich bin seit 1996 verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn.

M.W.: Was hat Sie dazu bewogen, meine Interviewanfrage positiv zu beantworten und damit Teil meines Projektes zu werden?
Abernathy: Ihr Projekt hat mit Rassismus zu tun. Ich interessiere mich für alles was mit Menschen mit verschiedenen Hautfarben oder Nationalitäten zu tun hat, weil ich die Tochter eines Bürgerrechtlers bin. Vor allem lebe ich schon so lange in Deutschland. Ich kenne Deutschland von 1980 bis jetzt. Dabei habe ich positive und negative Entwicklungen gesehen. Wenn das Thema (Rassismus) angesprochen wird, dann finde ich das ganz, ganz toll. Deswegen hat mich Ihr Projekt sehr interessiert.

M.W.: Dankeschön. Frau Abernathy, Sie sind damals aus beruflichen Gründen nach Deutschland gekommen. Was hat Sie dazu bewogen hier in Deutschland zu bleiben?
Abernathy: Ich fand Deutschland sehr schön und sehr interessant – so ganz anders als die USA. Nach meinem Studium in Boston bin ich nach Manhattan gezogen, habe dort vorgesungen und parallel für eine Firma gearbeitet, die Stipendien an bedürftige Studenten vergeben hat. Das war eine schöne Arbeit, aber ich war nicht darauf ausgebildet. Das Leben in New York war sehr hektisch und unpersönlich. New York ist schön und faszinierend, aber wenn man nicht viel Geld hat, ist das Leben dort schon schwierig. Ich dachte mir dann, das kann doch nicht alles sein.
Ich erhielt dann ein Stipendium vom Goethe-Institut aus Atlanta und kam so nach München. Dort fand ich es sehr schön, mit einer anderen Kultur und ich wollte alles entdecken, wollte Europa neu entdecken. Natürlich war ich vorher schon in Europa, aber hier zu leben und zu sehen, wie alles funktioniert ist etwas anderes.
Im Goethe-Institut findet man viele Menschen verschiedener Nationalitäten, die sehr offen sind, so dass ich sehr schnell Freunde gewonnen habe. Ich wurde einmal auch nach Italien eingeladen. Das hat mir sehr gut gefallen. Vor allem da eine meiner Freundinnen um die Ecke von Luciano Pavarotti in Modena gewohnt hat. Ich habe dort sehr viel über die Kultur erfahren und fand das faszinierend.

Meine Gesangslehrerin in New York, Joan Caplan, hat mir schon während meines Studiums gesagt, dass Deutschland etwas für mich wäre, da es dort in jeder Stadt ein Theater und so ein Sprungbrett für junge Sänger*innen geben würde.
Sie hat auch gesagt: „Wenn du nach Konstanz gehst, bist du immer noch in Deutschland, hast es aber nicht weit bis nach Zürich.“ Ich fand das gut.
Mein Vater sagte auch zu mir: „Du bist jung und unverheiratet, ergreif diese Möglichkeit.“ So bin ich zurück nach New York, habe meine Wohnung gekündigt und so 1981 fest nach Deutschland gekommen.

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M.W.: Haben Sie den Wunsch, wieder in die USA zurückzukehren?
Abernathy: Ja, manchmal denke ich darüber nach. Aber mein Sohn studiert an der Universität in Frankfurt und ich kann ihn momentan nicht verlassen. Ich lebe nun schon so viele Jahre in Deutschland; länger als ich Amerika gelebt habe. Ja, Amerika ist meine Heimat, aber Deutschland auch.

M.W.: In meinem Interview mit Sawsan Chebli hat Frau Chebli gesagt: „Die Mitte (in Bezug auf Alltagsrassismus) ist mir zu still.“ Sehen Sie das als Tochter eines Bürgerrechtlers und Patenkind von Martin Luther King auch so?
Abernathy: Ja, sehr still. Ich empfinde, dass die Menschen den benötigten Wechsel gar nicht wollen. Sie fühlen sich nicht richtig angesprochen, wollen nicht über die Themen sprechen, wollen sich nicht involvieren. Das war aber, zumindest seit ich in Deutschland bin, immer so. Ich empfinde diese Stille ist aktuell sogar mehr geworden als vorher.

M.W.: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Abernathy: (Überlegt länger) Ich empfinde das seit dem Fall der Mauer – da ist eine große Veränderung passiert. Aber der Fall der Mauer musste passieren, Ich habe das schon immer auch zu meinen Freunden gesagt: „Deutschland kann nicht auf Dauer getrennt bleiben und muss zusammenkommen.“ Viele waren skeptisch und haben gesagt, dass die Unterschiede zwischen den beiden Teilen zu groß sind.
Das Problem, so empfinde ich das, ist, dass sich der westliche Teil sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Der östliche Teil dagegen nicht, er ist stehengeblieben.

Ich werde das niemals vergessen: Mein Vater war damals der Präsident der SCLC (Southern Christian Leadership Conference). Die Regierung der damaligen DDR hat uns zu einem Urlaubsbesuch eingeladen (Anm. d. Red. in der Ägide des Friedensrates in der damaligen DDR). Wir waren damals, in den siebziger Jahren, in Leipzig, Dresden und in vielen anderen Städten. Oft sind wir nur durch die Straßen gelaufen. Die Menschen hatten Kissen über den Fensterbänken liegen und schauten aus ihren Fenstern auf die Straßen und in die Nachbarschaft. Ich kannte das bis dahin gar nicht. Dann sahen sie zu uns und riefen: „Kuck mal, Neger, Neger!“
Wir kannten dieses Wort damals nicht! Unser Übersetzer damals hat uns dann erklärt, dass dies nicht das N*-Wort sei, sondern das englische Pendant zu Negro. Ich habe mich nach diesem Vorfall nicht wirklich dort wohlgefühlt.

Diese Art der Erfahrung in der damaligen DDR und mein Eindruck der Mentalität der Menschen dort hat mich überzeugt, dass diese Art zu denken nach dem Fall der Mauer Einzug in Deutschland halten wird. Die rassistisch denkenden Menschen aus dem Westen unterlagen damals noch ihrer Angst ihre wahren Gefühle zu zeigen. Zusammen mit Denkmustern aus dem Osten Deutschlands würden sich jedoch Anhänger bilden und diese Denkmuster würden sich verbreiten.
Wir wissen doch aus unserer Gesellschaft, dass das Böse sich viel schneller verbreitet als das Gute.

Der westliche Teil von Deutschland hat sicherlich seine Zeit gebraucht, um zu lernen.
Die Menschen im östlichen Teil sind zum Teil stehengeblieben und plötzlich mussten sie westlich denken. Diese Mentalität hatten sie damals nicht. Menschen brauchen jedoch Zeit, um zu lernen.

Das aktuelle Thema der Migration gab es in der Geschichte schon immer. Früher waren es die Gastarbeiter, die toleriert wurden, da sie Deutschland beim Aufbau geholfen haben. Und jetzt haben wir die Flüchtlinge …

M.W.: … und damit kommen Menschen, die auch etwas vom Kuchen haben wollen.
Abernathy: Genau! Ein Teil des Kuchens war aber schon weg. Das darf man eigentlich ja gar nicht sagen: Deutschland war reich, in den achtziger Jahren, richtig reich. Und dann kommen die Menschen aus dem Osten, und essen aus dem Topf, den der Westen bezahlt hat. Aber das ist auch Deutschland, das muss man akzeptieren.

Jetzt kommen wir zu den Flüchtlingen: Die haben eine andere Hautfarbe und vielleicht auch eine andere Religion und das passt nicht zu uns (Deutschen). Das kann ich sagen, weil ich einen deutschen Mann habe. Ich höre manchmal, dass er das sagt, das stört mich. Dieser Funke verbreitet sich ja aber. Auch das Flüchtlinge faul sind und nur unser Sozialsystem ausnutzen würden.
Vor allem da wir jetzt andere Parteien haben, die vorher nicht existent waren.

Früher hatten die Menschen Angst das N*-Wort zu sagen, heute ist das anders. Ich habe etwas gehört, das mich sehr, sehr verletzt hat. Das ist das Wort „Lenor“.

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M.W.: …. wie das Waschmittel?
Abernathy: Ja genau, nur mit einer anderen Bedeutung, nämlich „Leibeigener Neger ohne Rechte.“

M.W.: (Pause) OK … das ist heftig.
Abernathy: Ich finde die unterste Schublade! Ebenso wie der Begriff des „BIO-Deutschen“.
Solche Aussagen sind für mich wie ein Thermometer unserer Gesellschaft.

M.W.: Woher glauben Sie kommen solche Aussagen?
Abernathy: Das sind Ängste, etwas vom Kuchen abgeben zu müssen.

M.W.: Wie ist das in den USA? Da ist die Vielfalt an Kulturen nochmal unterschiedlich zu Deutschland
Abernathy: In den USA ist das anders. Da hat „der weiße Mann immer noch etwas zu sagen“.

M.W.: Sie waren damals 1963 am Washington Memorial dabei, als Ihr Patenonkel Martin Luther King seine berühmte Rede hielt …
Abernathy: Washington, ja natürlich!

M.W.: … ist der Traum von Martin Luther King heute wahr geworden?
Abernathy: Natürlich nicht ganz. Nein. Am letzten gemeinsamen Weihnachtsfest zusammen mit meinem Vater, 1989 in Konstanz, hatten wir eine Diskussion. Er hat gesagt: „Weißt du Juandalynn, die Uhr dreht sich wieder zurück. Wir kehren zu den alten Zeiten zurück.“
Ich habe ihn gefragt, wie er darauf kommen würde. Er hat geantwortet: „Die Schwarzen Menschen in Amerika denken sie wären frei, nur weil sie dieses Auto, diese Wohnung oder jenes Haus kaufen können, oder auf allen Universitäten studieren dürfen. Die Zeit dreht sich zurück, weil die Menschen zu schnell vergessen haben, dass wir nur wenige Generationen von der Sklaverei entfernt sind. Die Menschen haben zu schnell vergessen was war.“
Seine Begründung dafür war: „Die jüdischen Menschen lassen ein Vergessen über das ‚was war‘ und was ihnen als Juden widerfahren ist nicht zu. Die jüdischen Kinder erfahren ihre Geschichte schon von klein an. Es wird immer und immer wieder nachgehakt. Bei Schwarzen Menschen in Amerika ist das nicht so.“

Ich dachte danach: „Ja, mein Vater hat Recht mit seiner Aussage.“ Beobachten kann man das am „Schwarzen“ Präsidenten Obama.

Aber Obama ist nicht Schwarz. Die Menschen vergessen das!
Präsident Obama hat eine dunkle Haut. Aber Präsident Obama ist in einer einer Weißen Welt aufgewachsen. Er ist nicht auf eine Schwarze Schule gegangen. Er ist nicht in einer Schwarzen Community aufgewachsen. Seine Mutter war Weiß, sein Vater ist aus Afrika. Aber seinen Vater kannte er nicht, weil er in Afrika war. Er wuchs mit seiner Mutter und später mit seinem indonesischen Stiefvater auch in Indonesien auf. Danach kam er wieder nach Amerika zurück und lebte in einer Weißen Gesellschaft.

Obama „erklärt“ sein Schwarz-Sein mit seiner Frau Michelle. Sie ist in einer Schwarzen Gesellschaft aufgewachsen, ihre Eltern sind Schwarz. Natürlich waren wir glücklich, als er Präsident wurde, aber mein verstorbener Bruder hatte damals gesagt: „Es ist schön, dass er Präsident wird, aber die Dinge werden sich damit verschlechtern.“

Das ist dann auch tatsächlich passiert. Die Präsidentschaft von Obama beschreibt nur den Anfang von Problemen, die bereits existent waren: Die republikanische Partei konnte und kann Obama nicht ausstehen und haben gegen seinen Erfolg gearbeitet.
Dabei ging es nur um die Hautfarbe und nicht um das was ein Mann für sein Land tun kann. Er hat versucht Amerika wieder zusammenzubringen und hat das Land trotzdem gespalten. Die Weißen aus der Republikanischen Partei haben systematisch daran gearbeitet, dass es eine Spaltung der Gesellschaft gibt.

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M.W.: Das heißt Trump ist die Folge von Obamas Präsidentschaft?
Abernathy: Ja, genau! Obama musste erstmal das Aufräumen, was Bush hinterlassen hatte. Und ja, natürlich hat er (Obama) das Land wieder auf Vordermann gebracht, nicht Trump. Trump hat ein blühendes Land nach zwei Amtszeiten von Obama geerbt. Die Menschen haben leider schon vergessen, dass Obama damals von Bush ein Land im Keller übernommen hat. Bush ist ein netter Mann, aber nach seiner Amtszeit stand Amerika kurz vor dem Ruin. Was also hat Trump „great again“ gemacht? Amerika war nach Obama schon großartig.

Aber, die Ideen von Trump sind ja nicht einfach weg. Der „Weiße Mann“ hat Angst, da die Bevölkerungszahlen in den USA darauf hinweisen, dass „die Weißen“ in ungefähr zehn Jahren in der Minderheit sein werden. Diese Kontrolle wollen sie aber nicht verlieren. Der Sturm auf das Kapitol konnte nur in einer Amtszeit von Trump passieren.

M.W.: Was hätte Ihr Vater, was hätte Martin Luther King zu Trump gesagt?
Abernathy: Beide wären entsetzt gewesen und hätten ihn bekämpft. Bevor meine Mutter (2019) gestorben ist, hat sie mir von ihrem Traum berichtet, in dem „wir“ an „ihrer“ Position seien. Dass „wir“ gekämpft und protestiert hätten. Sie säße im Rollstuhl und würde sich wundern, dass „wir“ immer noch für „ihre“ Ziele kämpfen würden und warum „wir“ nicht schon weiter wären.

Mein Vater und Onkel Martin, die waren Kämpfer.
Aber, wie viele Menschen kämpfen heute noch? Viele Menschen denken doch nur an sich und an ihr Geld. Ich muss jetzt mal die Wahrheit über die heute noch lebenden, angeblichen Freiheitskämpfer, sagen: die haben inzwischen schon sehr viel Geld.

M.W.: … so dass sie zu satt zum Kämpfen sind?
Abernathy: Ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber die schauen erstmal auf Ihre eigene, wohlhabende Tasche. Wohlhabend waren und sind wir Abernathys nicht. Im Gegenteil, wir sind sehr sozial.

M.W.: Für mich gehören die beiden Reden von Martin Luther King und auch von Amanda Gorman zu Sternstunden in der Geschichte. Sehen sie das auch so? Im Interview mit Oprah Winfrey hat Gorman gesagt, sie wolle 2036 als Präsidentschaftskandidatin antreten. Sieht man in den USA gerade eine neue Generation heranwachsen?
Abernathy: Fantastisch, ja! Wenn die jungen Menschen in Amerika weiter an „Black lives matter“ und an der Tatsache „wir sind alle gleich“, und an diesem Movement arbeiten, dann sehe ich das positiv, sehe Chancen.

Ich muss ehrlich sagen und ich sage, wie es ist: Ich kann die jetzige Republikanische Partei nicht ausstehen. Das sind Rassisten. Ich kann das leider nicht anders sagen. Sie fördern nicht das Wohlbefinden Amerikas. Deren Ziel ist es, sich und die Wohlhabenden immer reicher zu machen. Ich kann nicht einmal sagen die Mittelschicht. Denn diese Schicht verschwindet mehr und mehr. Wenn die Republikaner so weitermachen, dann werden sie die Gesellschaft weiter spalten.
Meiner Meinung nach müssen wir viel mehr, und da haben wir sehr zu kämpfen, sozial denken. Und das möchte Amerika nicht, weil Amerika sehr kapitalistisch ist.

M.W.: Ich habe vorhin herausgehört, dass Obama in der Schwarzen Community nicht so akzeptiert war. Wie sieht das bei Kamala Harris aus?
Abernathy: Ja, sprechen wir über die Unterschiede zwischen Kamala Harris und Präsident Obama. Kamala Harris Mutter kommt aus einer hohen Kaste in Indien, und ihr Vater von den Bahamas. Man sagt zu ihr sie sei „asiatisch“. In den Medien wird sie aber auch als „Schwarz“ bezeichnet. Das ist sehr selten in Amerika.

Die Mutter von Präsident Obama dagegen ist Weiß und eine direkte Nachfahrin der Mayflower-Bewegung (Quelle: Deutschlandfunk)

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M.W.: Das heißt, Kamala Harris ist in der Schwarzen Community mehr akzeptiert als Barack Obama?
Abernathy: Ja, sehr viel mehr! Sie ist auf ein Schwarzes College gegangen und ist mit Schwarzen Menschen aufgewachsen. Sie sieht die Dinge anders, eben weil sie aus einer Schwarzen Gesellschaft kommt. Bei Präsident Obama kann ich das nicht sagen. Mit Schwarzen Menschen in die Schule gehen war für ihn eine Rarität.
Das ist dasselbe mit meinem Sohn oder auch mit Ihrer Frau. Beide sind in einer Weißen Gesellschaft aufgewachsen. Ja, beide haben ganz sicher ein Verständnis für das „Schwarz“ sein, und haben Diskriminierung erlebt. Aber könnten beide in einer Schwarzen Gesellschaft in Amerika bestehen?

M.W.: Wenn sich Michelle Obama dazu entschließen würde Präsidentschaftskandidatin zu werden, dann wäre sie von der Schwarzen Community aber ganz sicher akzeptiert?
Abernathy: (Längere Pause) Das wird nie passieren. Obama hat schon damals gesagt: „Ein Präsident in der Familie reicht.“

M.W.: Es wäre ja aber ihre Entscheidung, und nicht seine.
Abernathy: Ja, schon. Sie wäre eine gute Präsidentin. Sie ist eine sehr kluge und artikulierte Frau. Ich bin ein Fan von Michelle Obama. Das amerikanische Volk würde sie glaube ich tatsächlich wählen. Aber ich glaube sie möchte nicht antreten, da sie ein Feindbild für die Republikanische Partei wäre und das Amt ihr glaube ich auch zu viel wäre.

M.W.: Hier in Deutschland gibt es eine Kultur des Aufarbeitens, z.B. bezogen auf das Dritte Reich und den Holocaust. Ich habe ein Zitat von Joe Biden über das Massaker in Tulsa 1921 gelesen in dem er sagt, Zitat: „ Das ist es, was große Nationen tun. Sie arbeiten ihre dunkle Seite auf.“
Glauben Sie, dass Biden und Harris die Richtigen sind, um die Aufarbeitung von Amerikas dunkler Seite anzustoßen?
Abernathy: Anzustoßen, ja. Es war wichtig, dass Joe Biden gewonnen hat. Wir können dort keine Republikaner haben.
Ich hasse es, das zu verallgemeinern, aber Republikaner sind Rassisten. Ich würde sagen, Trump gefährdet die Demokratie und es ist wichtig, dass er weg ist.

Der Einzige, der in einer Welt von weißen, konservativen, Weißen Männern beherrschten gewinnen konnte, musste ein Konservativer sein. Deswegen hat Biden gewonnen. Alle anderen – Bernie Sanders und wie die alle heißen – hätten nicht gewonnen und Trump nicht geschlagen.
Wenn der Weiße Mann wählen geht, braucht er einen Konservativen und das war das Gesicht von Biden. Biden ist eine Konstante, er ist schon lange in der Politik und weiß was er tut. Deswegen ist er wichtig für Amerika.
Kamala Harris war für mich eine strategische Entscheidung. Es waren Schwarzen Frauen, die Kamala Harris gewählt haben. Ich weiß nicht, ob Sie auch von weißen Frauen gewählt wurde, diese Statistik habe ich nicht gesehen.

Meine Mama hat immer gesagt, und das stimmt: „Die Weiße Frau ist immer noch unter den Fußstapfen ihres Mannes. Und wenn der Mann sagt, wenn du weiterhin zuhause bleiben und nicht arbeiten möchtest, dann gehst du und wählst die Republikaner.“
Die Schwarzen Frauen jedoch mussten und müssen immer stark und unabhängig sein. Die haben Kamala Harris gewählt. Die haben tatsächlich die Minorität.

Ich weiß nicht, ob Joe Biden nochmals kandidieren wird. Es ist jedoch wichtig, dass wir noch mal einen Demokraten in der zweiten Amtsperiode bekommen.

M.W.: Nicht nur für Amerika, sondern auch für die Welt.
Abernathy: Genau, Trump würde der ganzen Welt sehr schaden, nicht nur Amerika und der Demokratie.
Ich bin sicher, hinter den Kulissen war er eine Lachfigur. Verstehen Sie? Ein egozentrischer, egoistischer Narzisst, er ein kranker Mensch, er IST ein kranker Mensch. Ich mag ihn nicht mit Hitler vergleichen, aber für die ganze Welt hätte er immensen Schaden verursacht. Deswegen musste er abgewählt werden. Ob er wiederkommt, das kann ich mir nicht vorstellen.

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M.W.: Ich glaube, wir werden es erleben. Die nächste Wahl in den USA kommt bestimmt. Ich habe mir das Gedicht von Amanda Gorman auf Englisch und auch auf Deutsch gelesen und wundere mich über die Diskussionen, wer denn dazu prädestiniert wäre, dieses Gedicht vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen, oder eben nicht. Können Sie diese Diskussion nachvollziehen?
Abernathy: Ich habe gehört, dass sie (Gorman) gesagt hat, sie lässt es nicht von Weißen übersetzen. Stimmt das?

M.W.: Ich weiß nicht, ob das Zitat von Gorman selbst kommt. Ursprünglich sollte eine weiße Schriftstellerin in Holland das Gedicht übersetzen. Sie wurde dann aber nicht angenommen. In Deutschland war es ein Trio von Menschen. Aber woher die Aussage kommt, dass kein Weißer das Gedicht übersetzen darf, das weiß ich nicht.
Abernathy: Ok, das weiß ich auch nicht, ich habe es nur darüber gehört.
Ich kenne ihr Gedicht. Es wurde mir geschenkt. Ich bin so unendlich dankbar dafür. Ich habe das Gedicht natürlich gelesen, auch laut für mich selbst. Ich bin so begeistert von ihr.

Später habe ich erfahren, dass meine Schwester sie kennt. Meine Schwester ist Direktorin der Schule, auf die Gorman ging. Meine Schwester war schon immer begeistert von Amanda Gorman.

Was ich aber sagen wollte: Ich habe das Gedicht auf Deutsch gelesen. Es wurde nicht ganz richtig übersetzt. Ich habe einige Stellen gefunden und dachte mir „Oh, die haben das wohl nicht ganz verstanden“. Aber vielleicht musste die Wortwahl auf Deutsch so sein, damit es sich reimt, ich weiß es nicht.

M.W. Es ist auch vielleicht schwierig, die Sprachen zu vergleichen und die richtigen Worte zu finden.
Abernathy: Genau. Dann habe ich aufgehört, das Gedicht auf Deutsch zu lesen.

M.W.: Mir ging es genau andersherum. Ich hatte in der Schule Französisch als erste Fremdsprache. Für mich ist es daher schwierig, die Lyrik eines Gedichtes auf Englisch tiefsinnig zu verstehen und daraus abzuleiten, welche Bedeutungen ein Wort oder ein Satz hat. Ich habe mich auch gefragt, ob es nicht auch eine Form von Diskriminierung ist, wenn man sagt: „Dieses Gedicht, das die Welt bewegt, dürfe nicht von Weißen Menschen übersetzt werden.“
Abernathy: Oh, hat Gorman das gesagt?

M.W.: Das ist das was ich gehört habe. Ich frage mich einfach, warum ein Weißer Mensch das Gedicht nicht übersetzen kann. Es gibt ja auch Weiße Amerikaner, die um die Zweideutigkeit, die Hintergründigkeit der benutzten Schwarzen Lyrik wissen.
Abernathy: Ja, genau. Aber ich weiß die Gründe nicht, warum so entschieden wurde. Vielleicht war das eine Vorgabe des Verlages, weil man Kontrolle darüber haben wollte.
Amanda Gorman ist eine hochintelligente und hochbegabte junge Frau. Mein Gott, ich bin so begeistert.

M.W: Frau Abernathy, ich habe im Schwarzwälder Boten gelesen, dass Sie mit vier anderen Frauen eine Gruppe gegründet haben, um über Alltagsrassismus zu sprechen und Lesungen zu halten. Aber ich habe außer dem Artikel nicht mehr darüber gefunden. Was ist das für eine Gruppe?
Abernathy: Die Gruppe nennt sich „Für Miteinander“. Der eigentliche Kopf der Gruppe ist Annëlle Koschnike-Nguewo. Sie ist eine junge Ingenieurin und arbeitet hier für die Stadt Balingen. Sie hat afrikanische Wurzeln. Eine hochbegabte junge Frau. Sie hat in Deutschland studiert und hat zwei Master-Abschlüsse. Sie ist mit einem deutschen Mann verheiratet und sie haben zusammen drei Kinder.

In der Gruppe sind Frauen aus Afrika, Südamerika, der Türkei und ich als Schwarzamerikanerin. Die Gruppe nimmt auch muslimische Frauen auf, überwiegend sind wir in der Gruppe jedoch christliche Menschen. Bei „Für Miteinander zusammen Leben“, auf Englisch „to coexist“, geht es darum, einander zu akzeptieren, zu reflektieren und auf Alltagsrassismus hier in Deutschland aufmerksam zu machen.

Mit „Für Miteinander“ haben wir auch Gottesdienste in der Stadtkirche, in der ich seit fast 15 Jahren Gemeinderätin bin. Dort kommen wir dann alle zusammen und adressieren das Thema Alltagsrassismus.

Herr Wolfert, bitte geben Sie mir ein paar Minuten mehr, um auf Ihre Frage einzugehen.

Die evangelische Kirche hier sagte dann: „Gut, dann machen wir Gottesdienste und eine Gebetsstunde.“
„Gebetstunde“? Was kann man denn beim Beten machen? Ich meine, Beten ist schön und nett und alles, aber es braucht Taten. Jetzt macht man immer mal einen Gottesdienst mitten am Tag um zwölf Uhr. In der Stadtkirche hier in Balingen hatten wir ein paar Gottesdienste – die waren sehr schön, aber es sind in der aktuellen Corona-Zeit nur sehr wenige Leute gekommen.

Wie gesagt, es braucht Taten. Zusammen mit Annëlle (Koschnike-Nguewo) aus der Gruppe „Für Miteinander „habe ich meine Idee besprochen, ein Musical mit Flüchtlings- und Asylanten-Kindern zu machen. Dafür brauchen diese Kinder aber Gesangsunterricht. Ich frage Sie: „Können sich diese Kinder Gesangsunterricht leisten? Nein, natürlich nicht.“

Ich unterrichte an der Musikschule in Hechingen und begleite eine talentierte junge Sängerin, Nathalie, in der Musikhochschule Stuttgart. Ich bin also oft in beiden Schulen.
Dort sehe ich viele Kinder, von denen ich weiß, dass sie russlanddeutsche Wurzeln haben oder Stipendien aus Korea oder China.
Aber ich habe hier keine Kinder mit anderer Hautfarbe gesehen, die auch gesponsert werden. Ich dachte mir, man kann mir nicht erzählen, es gäbe keine Talente unter Kindern mit Migrationshintergrund.

Bild: Ich bin Deutsch - Juandalynn Abernathy

M.W.: … weil die Eltern dieser Kinder, sich die Schule nicht leisten können.
Abernathy: Das bedeutet nicht, dass es nicht ein oder zwei gibt, die sich das leisten können.
Ich dachte mir, das ist sowas von unfair. Das System hier erlaubt nicht – von dem was ich gesehen habe – diesen „melting pot“. Verstehen Sie mich?

Wo sind die Aktivitäten für diese Kinder? Als ich neu im Kirchengemeinderat war, gab es damals eine ganz tolle Pfarrerin, mit der ich immer über das Thema gesprochen und gesagt habe: „Wir müssen etwas für die Jugend machen, die sind die Zukunft! Ich in meinem Alter bin schon auf dem absteigenden Ast.“

(Pause) Herr Wolfert, wie alt sind Sie?

M.W.: Ich bin ziemlich genau zehn Jahre jünger als Sie.
Abernathy: Das habe ich mir gedacht. Der Punkt ist, dass die Jugend die Zukunft ist. Wenn wir, auch die Kirche, nicht in die Jugend investieren, dann sind wir verloren. Verstehen Sie? Deswegen bin ich manchmal so enttäuscht. Denn ich sehe, wie es wirklich ist. Immer dieses „Lalala“. Taten, wir brauchen Taten und Aktionen für die Jugend. Ich unterrichte diese jungen Menschen und wir reden zusammen. Irgendwie habe ich einen sehr guten Draht zur Jugend.

Ich kenne auch junge Erwachsene mit dreißig oder fünfunddreissig Jahren, die sagen „Ich trete irgendwann, wenn ich geheiratet habe, aus der Kirche aus.“
Was bringt dann die Kirche? Die Kirche ist langweilig. Da sind nur alte Leute und die Predigten bilden nicht die Realität ab. Verstehen Sie?

Ich höre das sehr oft. Die Leute sitzen da und hören zu, weil sie es teilweise als ihre Pflicht ansehen.
Wir müssen aber auch Kinder und Jugendliche für die Kirche gewinnen.
Sagt der Pfarrer irgendwas, was Kindern und Jugendlichen, oder uns in unserem Leben hilft bis zum nächsten Sonntag? Nein! Ich weiß das.
Ich sitze da in der Kirchengemeinderatssitzung und kenne die Austrittszahlen. Verstehen Sie? Dort wird dann immer gesagt: „Ah, da müssen wir mal hören, das liegt an Corona.“
Ich sitze da und denke: „Das hat gar nichts mit Corona zu tun. Es hat damit zu tun, dass ihr euren Job nicht richtig macht.“

Daher möchte ich dieses Projekt, meine Vision, mit dem Musical mit Flüchtlings- und Asylanten-Kindern auf jeden Fall machen. Ich möchte das Projekt groß haben und nicht nur Larifari. Meine damalige Managerin hat mich in Kontakt mit Evelin Nolle-Rieder von der K3 Kleinkunstbühne in Winterlingen gebracht. Zusammen mit ihr und Annëlle (Koschnike-Nguewo) haben wir dann besprochen AGs zu bilden und dort auch Kinder mit Migrationshintergrund und deutsche Kinder zum Mitmachen einzuladen.

Wir müssen alle zusammenkommen und das Musical soll durch hören, und singen – nicht über religiöse Inhalte – sondern …. (Pause) … Herr Wolfert: Was hören die Kinder aktuell?

Bild: Ich bin Deutsch - Juandalynn Abernathy

M.W.: „Normale“ Musik?
Abernathy: Genau, Charts! Die Kinder wollen singen und zusammenkommen. Später möchte ich, dass jedes Kind irgendein positives Erlebnis hier in Deutschland hat. Wir müssen Rassismus schon im Kindesalter fassen, denn er beginnt schon in Kindergärten und in der Grundschule.

Zum Beispiel erzählte mir Annëlle (Koschnike-Nguewo) vor ein paar Wochen, dass in der Klasse ihres Sohnes ein Mädchen ist, die von einem anderen Jungen „Brownie“ genannt wurde. Ich glaube, die Mama ist Inderin. Details weiß ich nicht, aber das Mädchen wurde „Brownie“ genannt. Annëlles Sohn sagte in der Grundschule zu ihr: „Stört dich das nicht?“ Sie antwortete: „Doch.“ Er darauf: „Wieso sagst du nichts?“ Sie: „Wenn ich was sage, bringt es sowieso nichts.“

Niemand sagt der Lehrerin darüber etwas. Das Mädchen hat das einfach geschluckt.
Das erinnert mich an meine Geschichte. Ich wurde Bosko(?) und auch Brownie auch genannt. Jeden Tag in der fünften, sechsten und siebten Klasse.
Wie mir das wehtat! Verstehen Sie? Annaeles Sohn hat die Lehrerin auf das Thema angesprochen und daraufhin wurde in der Schule dann über Rassismus gesprochen: „Wie würdest du dich denn fühlen, wenn du zum Beispiel in Indien oder Afrika in eine Schule gehst und jemand dich als Weißer bezeichnet oder du der einzige bist?“

M.W: Meine Frau sagt aber wirklich nur im Spaß, ab und zu „Weißbrot“ zu mir.
Abernathy: Weißbrot, ja, genau. Aber der Punkt ist, den Kindern fiel dann beim darüber sprechen ein, dass das nicht gut ist „Brownie“ zu jemandem zu sagen. Der Punkt ist aber, dass Lehrer das Thema nicht immer aufgreifen und die Kinder trauen sich nicht etwas zu sagen. Der Punkt ist doch: Kein Kind wird rassistisch geboren.

Mein Sohn war ja im Waldkindergarten. Dort hat ein anderes Kind „über etwas“ gesprochen, das mein Sohn nicht verstanden hat, weil er damals nicht gesehen hat, dass ich Schwarz bin und sein Vater Weiß. Er war damals erst drei Jahre alt. Er kam nach also Hause und hat gesagt: „Mama, Evi hat gesagt, sie spielt nicht mehr mit mir, weil meine Hautfarbe nicht so weiß wie Schnee ist.“

Als ich die Erzieherin darauf ansprach meinte sie nur, das könne nicht stimmen. Dann sagte ich: „Sagen Sie, dass mein Sohn lügt?“ „Nein, das sage ich nicht, aber das kann nicht sein.“ „Wenn mein Sohn das sagt, stimmt es. Ich möchte, dass Sie das in Ordnung bringen.“

Die Mutter dieses Mädchens rief mich dann an und hat sich entschuldigt und meinte, sie wisse nicht, wo ihre Tochter das herhätte. Ich erwiderte: „Es muss von irgendwoher kommen. Das Thema muss Zuhause schon besprochen worden sein. Kein Kind kommt auf die Idee, dass es nicht mit meinem Sohn spielt, nur weil seine Hautfarbe nicht weiß wie Schnee ist.“
Sie meinte es täte ihr so leid. Sie hätte das Problem im Kinderarten schon angesprochen, aber die Erzieherin wollte nicht helfen, sondern es abtun und unter den Tisch kehren.

Das ist ein Problem, das wir hier in Deutschland haben. Menschen, die so etwas unter den Tisch kehren. Deswegen ist es so wichtig, dass wir das Rassismus-Problem jetzt anfassen. Jede*r vierte hat einen Migrationshintergrund. Das „Deutschland von früher“ existiert nicht mehr. Aber wir sind alles Menschen und wir sind gleich. Das muss den Kindern beigebracht werden. Es muss damit angefangen werden, in Kindergärten und Grundschulen über das Thema Rassismus zu sprechen, sodass wir für die Zukunft lernen, miteinander harmonisch zu leben und als Menschheit wachsen können. Das ist meine Meinung und deshalb mache ich dieses Musical.

Bild: Ich bin Deutsch - Juandalynn Abernathy

M.W.: Eine vorletzte Frage, die ich immer in meinen Interviews stelle: „Was ist für Sie typisch Deutsch?“
Abernathy: Typisch deutsch? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Meinen Sie Essen? Ich kann Ihnen keine Antwort darauf geben.

M.W.: Wenn Sie einen Wunsch freihätten, was würden Sie sich wünschen?
Abernathy: Persönlich?

M.W.: Oder zum Thema Rassismus …
Abernathy: (Lange Pause) Ich würde mir wünschen, dass die Vorurteile, die Menschen anderen Menschen gegenüber haben, dass da die Barriere gebrochen wird, da ich selbst so oft schon diskriminiert wurde. Für viele Menschen ist es normal, dass eine Schwarze Frau oder ein Schwarzer Mann bei gleicher Ausbildung weniger Lohn für seine Arbeit bekommt.
Oder dieses Vorurteil, dass ich aus Amerika komme und meine Ausbildung zum Beispiel weniger wert wäre. Dabei wurde meine Ausbildung offiziell als gleichwertig anerkannt.

Da sind so viele Faktoren. Ich habe so viel hier erlebt. Das sind so viele Wünsche (lacht). Für mich ist wichtig, daher bin ich hier in Deutschland geblieben, ich sehe eine positive Chance für Deutschland. Vielleicht weil wir zu Europa gehören, zur EU. Ich kann nur hoffen, dass die Menschen ihre Vorurteile und ihre Ängste in der nächsten oder in den nächsten zwei Generationen abbauen können. Das hoffe ich, sonst sehe ich Probleme.

M.W.: Frau Abernathy, vielen lieben Dank für Ihre Zeit und das großartige Interview.
Abernathy: Ich hoffe, dass ich Ihnen ein bisschen geholfen habe, und es ein bisschen informativ war.